Von seinen Spielern erwartet der Bundestrainer Disziplin, Teamgeist und eine gewisse Anpassung. Anders sind viele Personalentscheidungen – Aus für Kuranyi, Jones, Frings, keine Chance für Wiese auf den Platz im Tor, ständige Nominierung von Spielern wie Hitzlsperger, Rolfes, Khedira und der halben Hoffenheimer Elf – nur bedingt zu erklären. Unbequeme Spielertypen wie eben jüngst Torsten Frings sortiert Jogi Löw aus. Über die sportliche Perspektive dieser Entscheidungen mag gestritten werden, der Trend ist jedoch auffällig: Die Nationalelf hat, bis auf Michael Ballack – aufgrund seiner uneingeschränkten Klasse – keinen Charakterspieler mehr, der auch mal unbequeme Wahrheiten ausspricht und sich anlegt – mit Podolski, mit der Abwehr, mit Bierhoff.
Jetzt sind Löw und Haarmodell Bierhoff selbst unbequem geworden – gegen den DFB. Obwohl die Vertragsverhandlungen schon lange als abgeschlossenen gemeldet worden, schwelte unterschwillig wohl ein großer Machtkampf. Jetzt hat der DFB die Verhandlungen abgebrochen und bis nach der WM vertagt. Zu weit sei man monetär auseinander gewesen, dem Vernehmen nach wollte Jogi Löw 2,5 Mio Euro (ein Jahresgehalt) für die Unterschrift unter dem Vertragswerk. Aber es geht sicherlich nicht nur um Geld. Im Hintergrund steht der Machtkampf zwischen Löw/Bierhoff und dem traditionellen Verband um Sammer/Zwanziger. Hier die jungen dynamischen Werbeträger für Kosmetik, dort die Funktionäre. Löw und Bierhoff wollen ihre Popularität nutzen, und den DFB nach Klinsmann weiter reformieren und umgestalten. Jetzt hat der mächtige Verband ausgeholt und zurückgeschlagen – ein letztes Aufbäumen.
Denn beide Seiten spielen im wahrsten Sinne des Wortes um die Zukunft: In Südafrika. Mit der Vertagung der Vertragsverhandlungen bis zur Zeit nach der WM wird das Schicksal von Löw und Bierhoff natürlich vom Ergebnis der Weltmeisterschaft abhängig:
Fall 1: Es läuft schlecht (Aus in der Vorrunde / Achtelfinale)
Löw, der schon für den Fall des Aus bei der EM mit einem Rücktritt gespielt hat, verliert jegliche Verhandlungsposition und wahrscheinlich seinen Job. Die Nachfolger – Sammer (?) würden sich etwas bitten lassen und dann den Posten übernehmen. Interessant: Würde Sammer Löws Nachfolger wären alle Reformen der Klinsmann/Löw-Ära zumindest etwas zurückgedreht und der DFB gibt wieder den Ton an.
Fall 2: Es läuft gut (Sommermärchen Reloaded / Deutschland wird Weltmeister)
Löw und Bierhoff lachen sich ins Fäustchen: Da es undenkbar ist, den Nationalhelden und Sympathieträger zu verlieren, können die Beiden jetzt jede Forderung stellen, die sie wollen. Zwanziger muss den Vertrag mit Löw verlängern – sonst fliegt ihm die Nationalelf um die Ohren. Der Verlierer wird Matthias Sammer sein, dessen Kompetenzen fleißig beschnitten werden, aber auch Theo Zwanziger. Der DFB wird viel Kontrolle über die Nationalmannschaft an Bierhoff/Löw verlieren und das Zähne knirschend akzeptieren müssen.
Es geht also in Südafrika nicht nur um den Weltmeistertitel und Ballacks letzter Chance in das Pantheon des deutschen Fußballs aufzusteigen, sondern um viel mehr. Und genau das wird auch die Berichterstattung dominieren.
Werder Bremen : Hertha BSC Berlin (Fr. 20.30 Uhr)
Achtung! Berlin ist 2010 noch ungeschlagen. Fünf Punkte aus drei Spielen, die Hertha hat damit nur einen Punkt weniger geholt, als in der ganzen Hinrunde. Und mit den Bremern die zuletzt fünf Spiele in Folge verloren haben, kommt ein dankbarer Gegner. Aber auch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Welcher Verein käme als Gegner zum Krisen-Ende besser in Frage als die Hertha. Der Berliner Sturm ist harmlos und dürfte die Bremer Desaster-Defensive nicht zu sehr in Bedrängnis bringen.
SC Freiburg : FC Schalke 04 (Sa. 15.30 Uhr)
Eine durchaus lösbare Aufgabe für die Magath-Elf. Freiburg scheint zur Zeit das schwächste Team der Liga zu sein. Pflichtsieg wenn man weiter auf die Champions League schielen will. Natürlich spüren alle Schalker diese Angst, sich mal wieder in einem „einfachen“ Spiel zu blamieren. Zu oft haben die Fans das erlebt – zuletzt in Bochum. Dennoch: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und was wäre ein Montag im Leben eines Schalkers ohne sich über die Dummheit der Mannschaft zu beschweren, nachdem man wieder an das Team geglaubt hat.
VfL Wolfsburg : Bayern München
Wow. Grafite. 2009. Das schönste Tor des letzten Jahrzehnts, ohne Diskussion. Jetzt ist Wolfsburg nur noch Mittelmaß und Bayern ist wieder der rote Gigant der die Liga überrollt. Nur Leverkusen rennt noch schneller und hat sich noch nicht einholen lassen. Alleine weil die Bayern noch eine Erinnerung an das Frühjahr 2009 haben, wird es ganz bitter für Wolfsburg.
1. FC Köln : Hamburger SV
Nein, Ruud wird nicht spielen. Und Poldi auch nicht. Hamburg ist deutlich stärker, Köln ist um die Karnevalszeit immer für eine Überraschung gut. Deshalb mein Tipp für „Was?“-Ergebnis des Spieltags.
VfL Bochum : Bayer Leverkusen
Was passiert in Leverkusen? Jede Woche wartet ganz Deutschland auf den Fall der Werkself. Sie gewinnen und gewinnen. Jupp Heynckes redet ganz offen von seiner Mannschaft als Spitzenteam und Titelkandidat. Nichts passiert. Oldie-Heynckes hat die komplette Stadt, den kompletten Verein ausgetauscht. Nie wieder Looserkusen. Oder wie mir mein Freund Jan, Leverkusen-Fan, erzählt hat: Neverkusen – sagen zumindest noch die Briten zu Bayer 04. Leverkusen kann dieses Jahr wirklich den Titel holen? Glauben wir wirklich daran? Oder ist es wie immer: Hoffnung schüren und dann das jähe Ende? Leverkusen-Fans seid auf der Hut.
1899 Hoffenheim : Hannover 96
Gähn! Obwohl: Es wird interessant – zumindest die Begrüßung zwischen Professor Rangnick und dem netten Herrn Slomka. Die alten Freunde, die sich die Freundschaft nach dem Zwischenfall bei Schalke, damals als Slomka sich zumindest nicht mehr für Cheftrainer Rangnick ausgesprochen hat und diesen dann beerben durfte, gekündigt haben. Auf dem Platz – Langeweile. Beide Teams sind schlecht. Wen interessierts?
1. FC Nürnberg : VfB Stuttgart (18.30 Uhr)
Sollte das Samstagabend Spiel nicht eigentlich das „Topspiel des Spieltags“ sein? Jetzt sehen die 30 Zuschauer von Sky wie die wiedererstarkten Stuttgarter die Franken putzen. Echt ein Grund für ein 50 Euro teures Pay-TV-Abo…
FSV Mainz 05 : Borussia Mönchengladbach (So. 15.30 Uhr)
Für Mainz spricht der Karnevalsfaktor. Für Gladbach spricht ein 4:3 gegen Bremen. Mit einem Unentschieden können beide Teams Leben.
Borussia Dortmund : Eintracht Frankfurt (17.30 Uhr)
Die Siegesserie der Borussen ist gegen Stuttgart spektakulär gerissen. Jetzt kommt mit Frankfurt sicherlich keine Übermannschaft in den Signal-Iduna-Park.
Tipps:
Wochenende: 2-7
gesamt: 103-129